...Auseinandersetzung und Weltaneignung über symbolische Mittel

Bei der Kommunikation zwischen jungen Menschen und ihrer Umwelt bekommen Bilder und Symbole besondere Funktionen. Kinder und Jugendliche kommunizieren jenseits verbaler und sprachlich-begrifflicher Mittel gerne auf einer nonverbalen Basis mit ästhetisch-kulturellen Mitteln. Dabei führen sie Auseinandersetzungen mit ihrer Umwelt und etablieren innovative Formen der Weltaneignung.

Überlegungen von Dick Hebdige (1998) über die Kommunikation durch Stil verdeutlichen, wie Jugendliche über ästhetische Elemente neue Kommunikationsmittel finden. Die jugendkulturelle Ästhetik wird zur Kommunikation unter Jugendlichen und zur Abgrenzung gegenüber Erwachsenen genutzt.

Roland Barthes (1964) erläutert, wie über symbolisch aufgeladene Inhalte Botschaften gestaltet werden können, die ästhetisch codiert sind. Die dazu genutzten Symbole, Mythen und Fetische beruhen auf Gegenständen, deren ursprüngliche Bedeutung durch symbolische Aufladungen mit neuen Bedeutungen erweitert wurde und dadurch neue Haltungen, Eigenschaften und Verheißungen verkörpern. In Jugendkulturen wird diese Aneignung und Umdeutung vor allem an Beispielen aus Mode, Musik, Sprache, Mediennutzung sowie Design deutlich (Spatscheck 2006, Nachtigall/Spatscheck 1999).

Jugendkulturen bieten über auf einer nonverbalen Ebene wichtige Angebote für Jugendliche:
- Symbole, z.B. Logos, alle über Bricolage entstandenen neuen Sinngebungen, etwa das typische Outfit eines Punks, der Retro-Look eines Kleidungsstücks
- Mythen, z.B. Musik als Wiederverzauberung der Welt, "The heaviest bassline ever", Johnny B. Goode oder der Ghetto Hip Hopper, die durch ihre Musik berühmt werden, obwohl sie formalen Bildungsansprüchen nicht genügen, Sun Ra als Außerirdischer sonischer Gott
- Fetische, z.B. jede erkennbare Markenkleidung, das Soundsystem von Akrika Bambaata, die verzerrte Rockgitarre, der TB 303 Synthesizer als magisches Instrument des Techno, das Lonsdale-Shirt und die weißen oder roten Schnürsenkel eines Skinheads

Junge Menschen greifen diese Symbole, Mythen und Fetische auf dem Hintergrund ihrer persönlichen Lebenslagen auf und nutzen sie zur Auseinandersetzung mit ihrer Situation. Beim Teilen ästhetischer Objekte entwickeln Jugendliche Vorlieben für Idole und Weltanschauungen, die ihre Ideale und Werte verkörpern.

Dieser Prozess wird auch bei der Mediengestaltung und -nutzung von Kindern und Jugendlichen deutlich (vgl. Röll 1998). Junge Menschen greifen Bilder, Töne, Persönlichkeiten oder Statements aus verschiedenen Kontexten auf. In den von ihnen gestalteten Bildern, Homepages, Videofilmen sowie bei der Nutzung von Klingeltönen, Handylogos, Chats oder Weblogs bilden sie oft collagenhafte Gegenüberstellungen. Die benutzen ästhetischen Elemente orientieren sich an verschiedenen Symbolen und Mythen (z.B. Helden, Krieger, Astronauten, Prinzessinnen, Jäger,…). Hier setzen sich Kinder und Jugendliche über ästhetische Mittel mit sich und ihrer Umwelt auseinander. Dabei befriedigen sie ihre Bedürfnisse nach Orientierung, Sinn und entdecken persönliche Kompetenzen. Zudem bilden sie hier eigene mentale Modelle und Bilder über sich und die Welt aus.

In welcher Systematik jugendkulturelle Bilder, Symbole und Mythen im Zusammenhang der sozialen und kulturellen Umwelt rezipiert und verarbeitet werden, verdeutlicht folgendes Schaubild (vgl. Ziehe in Röll 1998: 136):

Bilder, Mythen und Symbole werden in einem Spannungsfeld zwischen Individuum und Umfeld gebildet. Die Achse der Regression bzw. Progression verdeutlicht zeitliche und ontologische Parameter.

- Der linke untere Quadrant zeigt die Symbole, Mythen und Fetische, die in kollektiver Form als geteilte Kulturen und Gegenstände vorliegen, sie sind Angebote, die von den Einzelnen aufgegriffen werden können.
- Der linke obere Quadrant beinhaltet die individuellen Assoziations-, Wert- und Affektpotentiale von Individuen, die als Bilder und Codes in ihren Träumen, Assoziationen, Erinnerungen und Traumata vorliegen und ihr Handeln bewusst oder unbewusst mitbestimmen. Individuen treten auf dem Hintergrund ihrer Träume, Assoziationen, Erinnerungen und Traumata in Kontakt mit den kollektiv geteilten Symbolen, Mythen und Fetischen.
- Wie im rechten oberen Quadrant gezeigt, bilden Individuen über Hoffnungen, Phantasien, Projektionen oder Kunst zukünftige Varianten ihrer individuellen Perspektive. Dabei können sie neben individuellen Bildern und Codes auch auf kollektive Symbole, Mythen und Fetische zurückgreifen und diese als Verkörperung für Hoffnungen und Phantasien einsetzen und Träume und Erinnerungen produktiv aufarbeiten.
- Der untere rechte Quadrant zeigt, dass die in sozialen Systemen geteilten Projektionen zur gemeinsamen Bildung von Idolen, Religionen und Ideologien führen.


…Literatur

Barthes, Roland (1998): Die Mythen des Alltags. Suhrkamp, Frankfurt (Original: 1964).
Hebdige, Dick (1998): Subculture - The Meaning of Style. Routledge, London (Original: 1979).
Nachtigall, Markus/Spatscheck, Christian (1999): Ästhetische Inhalte von Jugendmusikkulturen. Angebote, Prinzipien, Funktionen. In: Unsere Jugend, 9/1999, S. 383-391.
Röll, Franz Josef (1998): Mythen und Symbole in populären Medien. GEP, Frankfurt.
Spatscheck, Christian (2006): Soziale Arbeit und Jugendkulturen. Tectum, Marburg.

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